Seit 2012 stellen die Kooperationen von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich und Kunstraum Niederoesterreich innovative, transdisziplinäre Ausstellungsprojekte vor. Die Idee, den statischen Kunstraum auf “Wanderschaft” in den öffentlichen Raum, aufs Land oder in den Trubel der Stadt zu schicken, brachte die Figur des “Hans im Glück” ins Spiel.
Ich bin in Wien geboren und aufgewachen und schon immer hat mich der Wienfluss fasziniert, der zur Hälfte durch Niederösterreich und zur anderen durch Wien fliesst. Beginnend bei der Wienflussquelle, dem Kaiserbrünndl in Pressbaum, führte für “Hans im Glück” meine Wanderung entlang des Flusses und endete nach sieben Stationen beim Stadtpark im dritten Wiener Gemeindebezirk, dem sogenannten Wienflussportal. In psychogeografischer Feldforschung begab ich mich mit meiner Kamera an die verschiedensten Flussabschnitte, wobei ich keine Hürde, dunkle Tunnel oder Überschwemmungen scheute.
Beim Fotografieren passiert eine Metamorphose von nichts in etwas oder auch von etwas in nichts, das kommt ganz darauf an. Das Licht, ein immaterieller Stoff, der sich nicht greifen lässt, spielte naturgemäß eine große Rolle, ob ich mit meiner Kamera loszog oder nicht. Lichtstimmungen gibt es viele, bis hin zur Düsternis, die oft ungeahnte Schätze birgt. Begleitet von dem Schriftzug “Ceci est une Œuvre d’Art” versuchte ich diesen unterwegs aufzuspüren, nachzustellen oder einzufangen. Dies geschah manchmal auf ganz eindeutige Weise, wie bei dem „EST“-Graffiti oder dem „CECI“-Schriftzug, den ich aus im Flussbett gefundenen Taubenfedern formte. Oder ich entwickelte Werke in Bezug auf das Märchen Hans im Glück interpretierende Art und Weise, wie bei "Well, Gold", "Stone, End of Story" oder mit „Hans am Flussufer schlafend“, oder bei dem Versuch des jungen Marcel für mich das Wort „ŒUVRE“ auf die Flussmauer zu schreiben. Am Ende stand das Wort „ART“, welches bei einer publikumspartizipativen Wanderung im wilden Flussbecken in Auhof von allen gemeinsam gebildet wurde.
Begonnen hatte alles in Paris, wo ich losgezogen war, weil ich von einem Brand eines alten Hauses im Marais in der Zeitung gelesen hatte. Wo genau war nicht angegeben, aber ich fand es und nahm ein Foto der zerstörten farbigen Struktur der Fassade, mit dem Schriftzug darauf "CECI EST UNE ŒUVRE D’ART! nach Wien mit. Zuerst war ich unglücklich darüber, erst später wurde mir bewusst, dass er bedeutete, dass nicht nur ich, sondern auch jemand anders etwas mehr darin gesehen hatte, als verbrannten Lack. Hier war nicht nur ein Umwandlungsprozess geschehen, sondern auch ein Austausch von Gedanken.
Anyone visiting the Kunstraum Niederoesterreich on 11 September 2014 will find it empty. The exhibition is open but the works are not there. Stacks of posters start off a murmur: they talk about 13 fairytale expeditions that are starting the next day. Our artists commence at various points in Lower Austria,penetrate a natural and urban thicket that they have chosen themselves, and a week later reach the Kunstraum in the heart of Vienna. They bring encounters, rumours and artistic prey from their ramble with them. They imitate Grimm’s Hans and entrust themselves to the path for seven days.
Hans is the hero of our exhibition, because in the best sense of the word he is simple-hearted. He is a slave neither to the past or the future, so that he belongs completely to the present. He respects his impulses and changes what he carries with him. He does this without any strategy, he goes step by step, without the foresight of the last result of his metamorphoses. People of the arts are familiar with this process, because it precedes numerous works. And nevertheless Hans must remain a stranger, because few so easily overcome the distance between wealth and well-being as Grimm’s returnee does. The actual provocation that maintains the fairytales‘ tension, however, is hidden in the end of the text: the Brothers Grimm let Hans go. Everything we tend to accuse him of – naivety, credulity, wastefulness – never affect him. Hans can remain in his good fortune to the end, while we set out every day to recover ours.
Our artists, too, are on the point of departure: they are going on a journey and allow their metamorphosis to take place. The exhibition “Hans im Glück” is intended to retain the chance of an open outcome for these metamorphoses. Thus we, the curators, can also be excited about the findings and the rumours that will reach the Kunstraum Niederoesterreich.
Katharina Blaas, Ursula Hübner, Christiane Krejs, Esther Strauß
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„CECI EST UNE ŒUVRE D’ART!" {This is an Artwork}, 2005/14 (Poster, 42 x 60 cm) / "EST", 2014 (C-Print, 54 x 68 cm) / "Wienfluss, Auhof", 2014 (C-Print, 50 x 63 cm) / "Marcel writing ŒUVRE", 2014 (C-Print, 100 x 78 cm) / "CECI", 2014 (C-Print, 50 x 64 cm) / "Hans sleeping on the Riverside", 2014 (C-Print, 50 x 64 cm) / "UNE", 2014 (C-Print, 68 x 54 cm) / "Stone, End of Story", 2014 (C-Print, 64 x 80 cm) / "Stone, from the Start", 2014 (C-Print, 50 x 64 cm) / "ART", 2014 (C-Print, 50 x 74 cm) / "Well, Gold", 2014 (C-Print, 54 x 68 cm).
Exhibition views: Hans im Glück, Kunstraum Niederoesterreich, Wien/Vienna, 2014
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